Alle wissen es – wenige stellen sich der Wirklichkeit: Als Menschen müssen wir alle sterben. Dabei ist zu beachten, dass das Wort „sterben“ ein aktives Handeln beschreibt. Es gibt in unserer Sprache keine Passiv-Form fürs „Sterben“. Niemand „wird gestorben“. So gilt es, eine eigene Werteanamnese in Bezug auf das eigene Leben und Sterben bewusst zu formulieren, um dann aktiv zu werden hinsichtlich eines freiheitlich selbstbestimmten Sterbens.

1. Warum befürworten ARTABANA Gemeinschaften eine Patientenverfügung?

Mitglieder der „ARTABANA Deutschland Solidargemeinschaft e.V.“ verfassen eine Patientenverfügung aus Verantwortung gegenüber sich selbst, gegenüber ihren Angehörigen, den behandelnden Ärzten sowie gegenüber den Mitgliedern ihrer Solidargemeinschaft. Damit treffen sie im Voraus alle nötigen Regelungen für den Fall, dass sie aufgrund von Krankheit oder Verletzung im Sinne des Gesetzes gemäß § 1904 und § 1906 BGB nicht mehr zustimmungsfähig sind.

Die Patientenverfügung dokumentiert die eigene Würdeauffassung des Patienten und damit die eigene individuelle ethische Überzeugung auf der Basis des Selbstbestimmungsrechts. Sie erfüllt somit für seine Angehörigen und die Mitglieder der Solidargemeinschaft eine entlastende Funktion im medizinethischen Konfliktfall.

Maßgeblich sind diese individualethischen Aspekte der Patientenverfügung, sozialethische und gerechtigkeitsethische Aspekte sind nachgeordnet. Auch im Sterben achten die Gemeinschaften den individuellen Weg eines jedes Menschen.

2. Woher kommt das Bedürfnis, eine Patientenverfügung zu unterzeichnen?

Die moderne Hochleistungsmedizin baut ihre technischen Möglichkeiten in hohem Tempo aus. Doch die Errungenschaften und Ergebnisse dieser Maximalmedizin sind bei näherem Hinsehen nicht immer ausschließlich segensreich für den Menschen. Immer häufiger berichten die Medien von tragischen und ethisch umstrittenen Konflikten um das Recht des Patienten auf Selbstbestimmung, das sich dann mitunter in einer Ablehnung und einem höchstrichterlich angeordneten tödlichen Abbruch einer solchen Behandlung äußert. (BGH: Urteil v.10.11.2010 (2 StR 320/10).

In der Intensivmedizin liegen Segen und Fluch oft eng beieinander. Nach einer komplizierten Operation mit hohen Blutverlusten ist es ein Segen für jeden Patienten, wenn sein Kreislauf, seine Atmung und seine Stoffwechselfunktionen intensivmedizinisch professionell überwacht und reguliert werden, sodass er langsam – oft über Wochen hinweg – sich erholen, aufwachen und sein Bewusstsein wieder erlangen kann.

Problematisch wird die Ausschöpfung aller medizinischer Möglichkeiten, wenn sie den Krankheitsverlauf chronifiziert – d.h. wenn sie nicht mehr ein Instrument zu einer spürbaren Besserung des Gesundung des Patienten darstellt, sondern die vegetativen Funktionen auf Kosten der Lebensqualität dauerhaft aufrecht erhält. Diese Chronifizierung eines Krankheitsverlaufes zementiert die durch eine Erkrankung oder Verletzung eingetretene verminderte Lebensqualität ohne realistische Aussicht auf Gesundung oder Besserung des Gesundheitszustandes. Die Zahl der Intensivpflegefälle (Beatmungspatienten, Apalliker,etc.) nimmt exponentiell seit ca. zehn Jahren zu.

3. Was hat das Patientenselbstbestimmungsrecht mit der illegalen aktiven Sterbehilfe zu tun?

Nichts. Das Patientenselbstbestimmungsrecht regelt ausschließlich im Rahmen geltender Rechtsprechung die Tragweite des erklärten Willens eines Patienten für den Fall, dass dieser nicht mehr selbst zustimmungsfähig sein sollte. Die Option heißt PASSIVE, nicht aktive Sterbehilfe: unter genau definierten Bedingungen wird der Arzt verpflichtet, der Würdeauffassung des Patienten entsprechend zu handeln und dem natürlichen Gang der Dinge (d.h. dem Sterben) freien Lauf zu lassen und den Patienten palliativ optimal (schmerzmedizinisch) zu versorgen.

Warum unterzeichnet ein Mitglied in der ARTABANA Solidargemeinschaft eine Patientenverfügung?

  1. Eine Patientenverfügung stellt den Freiheitsanspruch des Individuums in Bezug auf das eigene Leben und Sterben dar. In der Patientenverfügung formuliert der Mensch seinen individuellen Begriff von Menschenwürde – im Leben wie in der Krankheit wie im Tode.

  2. Eine Patientenverfügung veranlasst das Individuum, sich seiner ethischen Prinzipien bewusst zu werden und diese präzise zu begründen. Somit ist ein Bewusstwerdungsprozess begründet, der auch eine für das soziale Umfeld (Familie und Freunde) enorm entlastende Funktion mit sich bringt: Im Ernstfall, wenn der Patient selbst nicht mehr einwilligungs- bzw. zustimmungsfähig ist, wissen die Nahestehenden, wie sie rechtlich und inhaltlich die ethischen Interessen des Patienten zu vertreten haben.

  3. Der überwiegende Teil aller Kosten im Gesundheitswesen entstehen in den letzten sechs Lebensmonaten. (vgl. GGW 2008 Stefan Felder: Im Alter krank und teuer? · Jg. 8, Heft 4 (Oktober): 23–30)
    Eine aus freiem Willen verfasste Patientenverfügung ist auch eine finanzielle Entlastung der Gemeinschaft. Dabei handelt es sich ausdrücklich um einen Nebeneffekt und nicht um die Motivation.  
  1. Eine „Optimalmedizin“ nimmt sich die Freiheit, sich an den individuellen Bedürfnissen und ethischen Vorstellungen des jeweiligen Patienten zu orientieren. So wendet sie sich dem Patienten zu mit dem Ziel der Optimierung seiner Lebensqualität.